Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 12-16, 1897

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4032 gefundenen Gewohnheit, ſo ſchwindet uns allmählich das
Bewußtſein des aus der Erfahrung geſchöpften Grundes,
warum wir ihr folgen.
Ihr zu folgen erſcheint uns dann in
unſerem Handeln und Denken ohne weiteres ſelbſtverſtändlich.
Werden nun auch die Laien in vielen Dingen in ihren
Denkrichtungen von einander abweichen, ſo iſt doch erſichtlich,
daß die Naturforſcher ſpeziell ſchließlich im Ganzen deshalb zu
denſelben Reſultaten gelangen müſſen, weil ſie das gleiche Ziel
mit den gleichen Mitteln verfolgen:
die reine Wahrheit zu er-
kennen und zwar alle mit dem einzigen Mittel, das es giebt, um
dies zu erreichen, nämlich durch Sammlung von Erfahrungen,
durch Anſtellung von Experimenten dort, wo die Natur nicht
ohne weiteres Aufſchluß giebt, durch kritiſche Prüfung der All-
tagsanſchauungen, die ſich dann in ſo vielem als falſch ergeben.
Die erſt mit Hilfe der Wiſſenſchaft erkannten Wahrheiten
ſind naturgemäß ſolche, deren Kenntniß für das Leben gleich-
gültig iſt, da ſie ſonſt notgedrungen bereits vor der Wiſſenſchaft
bekannt ſein müßten.
Man kann ſomit unterſcheiden: 1. Lebens-
wahrheiten, 2.
Wiſſenſchaftliche Wahrheiten.
Der zu weit gehende Schillerſche Ausſpruch “Nur der
Irrtum iſt das Leben und das Wiſſen iſt der Tod” (Kaſſandra)
fließt aus einer Einſicht, die Byron beſſer ſo ausdrückt:
“Der
Baum des Wiſſens iſt nicht der des Lebens” (Manfred).
Denn man mache ſich nochmals klar, daß die erſt durch
die Wiſſenſchaft gewonnenen Wahrheiten niemals Lebenswahr-
heiten und die Lebenswahrheiten außerordentlich häufig keine
wiſſenſchaftlichen Wahrheiten ſind.
Sind nun alſo unſere Denkformen die Folge der gewon-
nenen Erfahrungen, anders ausgedrückt die Erfahrungen die
Urſachen der Logik, ſo erhellt ohne weiteres, daß die Natur
ſelbſt das Denken regelt, ſie zwingt uns logiſch zu bleiben,
wenigſtens dort, wo es ſich um das wahre Wohl und Wehe
der Organismen handelt.

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