Ampère, André-Marie, Natürliches System aller Naturwissenschaften : eine Begegnung deutscher und französischer Speculation, 1844

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            <s xml:id="echoid-s605" xml:space="preserve">So können wir, aus demſelben Grund, keine Silbe deutlich unter-
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            ſcheiden, wenn wir einen Menſchen eine uns ganz unbekannte Sprache
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            reden hören, während wir jedes Wort verſtehen, wenn wir mit der Sprache
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            vertraut ſind, wegen der Concretion der eben vernommenen Töne mit
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            den Nachbildern derſelben Töne, die wir früher ſchon oft gehört haben.</s>
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            <s xml:id="echoid-s607" xml:space="preserve">Aus dieſer Erſcheinung erklärt ſich Ampère auch die Vorſtellung
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            von Erhabenheit und Vertiefungen an einem Gemälde, das doch eine ganz
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            ebene mit verſchiedenen Farben bedeckte Fläche iſt, auf welcher aber der
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            Maler die Abſtufungen von Licht und Schatten angebracht hat, wie ſie
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            ſich bei wirklichem Beſtehen der Vertiefungen und Erhabenheiten dem
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            Auge zeigen würden. </s>
            <s xml:id="echoid-s608" xml:space="preserve">In der That ſind bei dem Menſchen durch die lange
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            Gemohnheit die Vorſtellungen der Formen, welche er inſtinktmäßig an den
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            mit Vorſprüngen und Vertiefungen verſehenen Gegenſtänden entdeckt hat,
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            aufs engſte verbunden mit den Abſtufungen von Schatten und Licht, und
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            der Anblick letzterer weckt in ihm durch Commemoration die Vorſtellung
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            der Formen, welche nun mit dem unmittelbaren Eindruck verwächſt, wäh-
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            rend er außerdem nur die Erſcheinung einer geſärbten Fläche ohne Vor-
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            ſprung und Vertiefung gemacht haben würde. </s>
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            leicht dadurch verſinnlichen, daß man auf einer ebenen Fläche in einer
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            beſtimmten gegenſeitigen Lage zwei Rhomben zeichnet, deren Winkel 60°
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            und 120° betragen und auf gehörige Art mit einander verbunden werden,
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            oder auch Parallellinien, deren Enden durch Kreisbögen verbunden ſind.</s>
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            <s xml:id="echoid-s611" xml:space="preserve">In Folge der erlangten Fertigkeiten, von denen wir ſo eben geſprochen,
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            ſtellt uns die erſte dieſer Zeichnungen Würfel dar, die zweite die Falten
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            eines Vorhangs. </s>
            <s xml:id="echoid-s612" xml:space="preserve">Aber durch nichts unterſcheiden ſich im erſten Fall die
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            vorſpringenden Winkel von denen, welche vertieft erſcheinen müſſen. </s>
            <s xml:id="echoid-s613" xml:space="preserve">Nichts
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            zeigt in dem zweiten Fall an, ob die Falten des Vorhangs ihre concave
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            oder ihre convere Seite dem Betrachter zukehren. </s>
            <s xml:id="echoid-s614" xml:space="preserve">Stellt man ſich nun
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            aber in der erſten Zeichnung gewiſſe Winkel als vorſpringend vor, ſo
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            werden dadurch die andern zu vertieften, und man faßt demgemäß auch
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            die Lage der Würfel auf, und ſieht dieſelben auch ſo lang auf dieſe Art,
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            bis durch eine neue Anſtrengung unſerer Einbildungskraft die Sache um-
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            gekehrt und die erſteren vertieft, die letzteren vorſpringend erſcheinen.</s>
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            <s xml:id="echoid-s616" xml:space="preserve">Ebenſo verhält es ſich bei der zweiten Zeichnung, wenn man ſich die
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            Falten conver denkt, ſieht man ſie auch ſo, und zwar ſo lang, bis man
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            ſich die Sache auf die entgegengeſetzte Art vorſtellt.</s>
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            <s xml:id="echoid-s618" xml:space="preserve">Dieß Alles iſt nur dadurch möglich, daß man durch die willkührliche
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            Rückerinnerung an die Formen ſich die Nachbilder erzeugt, mit welchen
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            die Empfindungen zuſammenſließen (concretiren).</s>
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