Ampère, André-Marie, Natürliches System aller Naturwissenschaften : eine Begegnung deutscher und französischer Speculation, 1844

List of thumbnails

< >
51
51 (37)
52
52 (38)
53
53 (39)
54
54 (40)
55
55
56
56 (42)
57
57 (43)
58
58 (44)
59
59 (45)
60
60 (46)
< >
page |< < (40) of 149 > >|
    <echo version="1.0RC">
      <text xml:lang="de" type="free">
        <div xml:id="echoid-div10" type="section" level="1" n="8">
          <pb o="40" file="0054" n="54"/>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s605" xml:space="preserve">So können wir, aus demſelben Grund, keine Silbe deutlich unter-
              <lb/>
            ſcheiden, wenn wir einen Menſchen eine uns ganz unbekannte Sprache
              <lb/>
            reden hören, während wir jedes Wort verſtehen, wenn wir mit der Sprache
              <lb/>
            vertraut ſind, wegen der Concretion der eben vernommenen Töne mit
              <lb/>
            den Nachbildern derſelben Töne, die wir früher ſchon oft gehört haben.</s>
            <s xml:id="echoid-s606" xml:space="preserve"/>
          </p>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s607" xml:space="preserve">Aus dieſer Erſcheinung erklärt ſich Ampère auch die Vorſtellung
              <lb/>
            von Erhabenheit und Vertiefungen an einem Gemälde, das doch eine ganz
              <lb/>
            ebene mit verſchiedenen Farben bedeckte Fläche iſt, auf welcher aber der
              <lb/>
            Maler die Abſtufungen von Licht und Schatten angebracht hat, wie ſie
              <lb/>
            ſich bei wirklichem Beſtehen der Vertiefungen und Erhabenheiten dem
              <lb/>
            Auge zeigen würden. </s>
            <s xml:id="echoid-s608" xml:space="preserve">In der That ſind bei dem Menſchen durch die lange
              <lb/>
            Gemohnheit die Vorſtellungen der Formen, welche er inſtinktmäßig an den
              <lb/>
            mit Vorſprüngen und Vertiefungen verſehenen Gegenſtänden entdeckt hat,
              <lb/>
            aufs engſte verbunden mit den Abſtufungen von Schatten und Licht, und
              <lb/>
            der Anblick letzterer weckt in ihm durch Commemoration die Vorſtellung
              <lb/>
            der Formen, welche nun mit dem unmittelbaren Eindruck verwächſt, wäh-
              <lb/>
            rend er außerdem nur die Erſcheinung einer geſärbten Fläche ohne Vor-
              <lb/>
            ſprung und Vertiefung gemacht haben würde. </s>
            <s xml:id="echoid-s609" xml:space="preserve">Dieß kann man ſich
              <lb/>
            leicht dadurch verſinnlichen, daß man auf einer ebenen Fläche in einer
              <lb/>
            beſtimmten gegenſeitigen Lage zwei Rhomben zeichnet, deren Winkel 60°
              <lb/>
            und 120° betragen und auf gehörige Art mit einander verbunden werden,
              <lb/>
            oder auch Parallellinien, deren Enden durch Kreisbögen verbunden ſind.</s>
            <s xml:id="echoid-s610" xml:space="preserve"/>
          </p>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s611" xml:space="preserve">In Folge der erlangten Fertigkeiten, von denen wir ſo eben geſprochen,
              <lb/>
            ſtellt uns die erſte dieſer Zeichnungen Würfel dar, die zweite die Falten
              <lb/>
            eines Vorhangs. </s>
            <s xml:id="echoid-s612" xml:space="preserve">Aber durch nichts unterſcheiden ſich im erſten Fall die
              <lb/>
            vorſpringenden Winkel von denen, welche vertieft erſcheinen müſſen. </s>
            <s xml:id="echoid-s613" xml:space="preserve">Nichts
              <lb/>
            zeigt in dem zweiten Fall an, ob die Falten des Vorhangs ihre concave
              <lb/>
            oder ihre convere Seite dem Betrachter zukehren. </s>
            <s xml:id="echoid-s614" xml:space="preserve">Stellt man ſich nun
              <lb/>
            aber in der erſten Zeichnung gewiſſe Winkel als vorſpringend vor, ſo
              <lb/>
            werden dadurch die andern zu vertieften, und man faßt demgemäß auch
              <lb/>
            die Lage der Würfel auf, und ſieht dieſelben auch ſo lang auf dieſe Art,
              <lb/>
            bis durch eine neue Anſtrengung unſerer Einbildungskraft die Sache um-
              <lb/>
            gekehrt und die erſteren vertieft, die letzteren vorſpringend erſcheinen.</s>
            <s xml:id="echoid-s615" xml:space="preserve"/>
          </p>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s616" xml:space="preserve">Ebenſo verhält es ſich bei der zweiten Zeichnung, wenn man ſich die
              <lb/>
            Falten conver denkt, ſieht man ſie auch ſo, und zwar ſo lang, bis man
              <lb/>
            ſich die Sache auf die entgegengeſetzte Art vorſtellt.</s>
            <s xml:id="echoid-s617" xml:space="preserve"/>
          </p>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s618" xml:space="preserve">Dieß Alles iſt nur dadurch möglich, daß man durch die willkührliche
              <lb/>
            Rückerinnerung an die Formen ſich die Nachbilder erzeugt, mit welchen
              <lb/>
            die Empfindungen zuſammenſließen (concretiren).</s>
            <s xml:id="echoid-s619" xml:space="preserve"/>
          </p>
        </div>
      </text>
    </echo>