Ampère, André-Marie, Natürliches System aller Naturwissenschaften : eine Begegnung deutscher und französischer Speculation, 1844

Page concordance

< >
Scan Original
51 37
52 38
53 39
54 40
55
56 42
57 43
58 44
59 45
60 46
61 47
62 48
63 49
64 50
65 51
66 52
67 53
68 54
69 55
70 56
71 57
72 58
73 59
74 60
75 61
76 62
77 63
78 64
79 65
80 66
< >
page |< < (40) of 149 > >|
5440
So können wir, aus demſelben Grund, keine Silbe deutlich unter-
ſcheiden, wenn wir einen Menſchen eine uns ganz unbekannte Sprache
reden hören, während wir jedes Wort verſtehen, wenn wir mit der Sprache
vertraut ſind, wegen der Concretion der eben vernommenen Töne mit
den Nachbildern derſelben Töne, die wir früher ſchon oft gehört haben.
Aus dieſer Erſcheinung erklärt ſich Ampère auch die Vorſtellung
von Erhabenheit und Vertiefungen an einem Gemälde, das doch eine ganz
ebene mit verſchiedenen Farben bedeckte Fläche iſt, auf welcher aber der
Maler die Abſtufungen von Licht und Schatten angebracht hat, wie ſie
ſich bei wirklichem Beſtehen der Vertiefungen und Erhabenheiten dem
Auge zeigen würden.
In der That ſind bei dem Menſchen durch die lange
Gemohnheit die Vorſtellungen der Formen, welche er inſtinktmäßig an den
mit Vorſprüngen und Vertiefungen verſehenen Gegenſtänden entdeckt hat,
aufs engſte verbunden mit den Abſtufungen von Schatten und Licht, und
der Anblick letzterer weckt in ihm durch Commemoration die Vorſtellung
der Formen, welche nun mit dem unmittelbaren Eindruck verwächſt, wäh-
rend er außerdem nur die Erſcheinung einer geſärbten Fläche ohne Vor-
ſprung und Vertiefung gemacht haben würde.
Dieß kann man ſich
leicht dadurch verſinnlichen, daß man auf einer ebenen Fläche in einer
beſtimmten gegenſeitigen Lage zwei Rhomben zeichnet, deren Winkel 60°
und 120° betragen und auf gehörige Art mit einander verbunden werden,
oder auch Parallellinien, deren Enden durch Kreisbögen verbunden ſind.
In Folge der erlangten Fertigkeiten, von denen wir ſo eben geſprochen,
ſtellt uns die erſte dieſer Zeichnungen Würfel dar, die zweite die Falten
eines Vorhangs.
Aber durch nichts unterſcheiden ſich im erſten Fall die
vorſpringenden Winkel von denen, welche vertieft erſcheinen müſſen.
Nichts
zeigt in dem zweiten Fall an, ob die Falten des Vorhangs ihre concave
oder ihre convere Seite dem Betrachter zukehren.
Stellt man ſich nun
aber in der erſten Zeichnung gewiſſe Winkel als vorſpringend vor, ſo
werden dadurch die andern zu vertieften, und man faßt demgemäß auch
die Lage der Würfel auf, und ſieht dieſelben auch ſo lang auf dieſe Art,
bis durch eine neue Anſtrengung unſerer Einbildungskraft die Sache um-
gekehrt und die erſteren vertieft, die letzteren vorſpringend erſcheinen.
Ebenſo verhält es ſich bei der zweiten Zeichnung, wenn man ſich die
Falten conver denkt, ſieht man ſie auch ſo, und zwar ſo lang, bis man
ſich die Sache auf die entgegengeſetzte Art vorſtellt.
Dieß Alles iſt nur dadurch möglich, daß man durch die willkührliche
Rückerinnerung an die Formen ſich die Nachbilder erzeugt, mit welchen
die Empfindungen zuſammenſließen (concretiren).

Text layer

  • Dictionary

Text normalization

  • Original
  • Regularized
  • Normalized

Search


  • Exact
  • All forms
  • Fulltext index
  • Morphological index