Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 12-16, 1897

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Die Lunge iſt kein hohler Luftſack, ſondern ein äußerſt
merkwürdiges Gewebe, deſſen hohle Gänge ganz eigentümlich
gebaut ſind.
Man-wird ſich am leichteſten hiervon eine Vor-
ſtellung verſchaffen, wenn man ſich Folgendes denkt.
Geſetzt, wir haben eine Lunge vor uns, ſo können wir
uns denken, daß jemand geſchmolzenes Wachs hineingießen
kann, ſo daß dies allenthalben hinfließt, wo die Luft in natür-
lichem Zuſtand eindringt.
Stellen wir uns vor, daß man eine
ſolche ausgefüllte Lunge erkalten und dann durch irgend
ein künſtliches Mittel das ganze Lungengewebe ſchnell ab-
faulen läßt, ſo würde man eine erſtarrte Wachsmaſſe zurück-
behalten, die genau die Form der Luftwege der Lunge an-
genommen hat.
— Wie würde dieſe Wachsmaſſe ausſehen?
Ganz ſo wie ein Baum, auf welchem ſtatt der Blätter
ſehr kleine Biruen mit höckriger Oberfläche wachſen.
Das Wachs aus der Luftröhre würde den Stamm des
Baumes vorſtellen;
dort, wo die Luftröhre in die rechte und
linke Lunge ſich teilend übergeht, würde der Wachsbaum zwei
Hauptäſte zeigen.
Von jedem Aſt gingen dann kleinere Äſte,
von jedem kleineren Aſte liefen Zweige aus, von jedem Zweige
Stengel, und jeder Stengel würde in einer kleinen Birne enden.
— Wie groß würde dieſer Wachsbaum ſein?
Ganz ſo groß wie die Lunge, wenn ſie mit Luft gefüllt
iſt.
— Die Luftwege der Lunge bilden wirklich einen hohlen
Baum;
aber ſo fein gezweigt und vollgepfropft mit hohlen
Früchten, daß ſie durch und durch dicht gedrängt aneinander
ſtehen.
Die Feinheit des Gezweiges iſt ſo außerordentlich,
daß, wenn man wirklich imſtande wäre, ſolch’ einen Wachsbaum
zu machen, man genötigt wäre, die allerſchärfften Vergrößerungs-
gläſer anzuwenden, um das Gezweige zu erkennen.
Wir würden
an ſolchem Kunſtwerk nur die größern Stämme und Äſte als
ſolche anſehen, während das überüppige, reiche, feine

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