Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 17-21, 1897
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Daß es Zeiten gab, in welchen Kultur und Civiliſation
in gleicher Weiſe auf einem niedrigen Standpunkte verharrten,
das zeigt uns ein Blick auf das Mittelalter.
Geiſtloſigkeit
und Rechtloſigkeit gingen Hand in Hand, von Glaubens-
feſſeln
und Gewalthabereien umſtrickt.
Erſt die neuere
Zeit begann die Ketten zu brechen.
Die Kämpfe unſerer
Gegenwart, ſie ſind immer noch der Aufgabe gewidmet, die
Geiſtesfreiheit der Kultur und die Menſchenfreiheit
der Civiliſation
aus dem Bann zu erlöſen, den eine Jahr-
taufende lange Abirrung dem Menſchen auferlegt hat.
Wenn wir heutigen Tags gar ſo häufig Kultur und
Civiliſation als gleichbedeutend neben einander geſtellt ſehen,
ſo iſt es nicht eine Gleichartigkeit, die dazu berechtigt,
ſondern die Gleichzeitigkeit, in welcher ſie erkämpft werden
müſſen.
Fortan befriedigt uns die eine nicht, ohne die
andere.
Wenn wir die Probleme, welche die Zukunft zu
löſen haben wird, in dieſen zwei Worten bezeichnen, ſo drücken
wir nur ihre Gemeinſamkeit, nicht ihre Gleichartigkeit
damit aus.
Ihre Verſchiedenheit findet ſich auch bereits in
zwei anderen Bezeichnungen deutlicher dargelegt.
Die Kultur
findet man mit gutem Grund in der “Freiheit der Wiſſen-
ſchaft
“;
die Civiliſation wird nur zum Siege geführt
werden durch eine, jetzt ſchwer mißbrauchte, aber doch im
wahren Weſen richtig zu bezeichnende Aufgabe der ſozialen
Reform
.
Glücklicherweiſe iſt auch die Bahn bereits geebnet, auf
welcher dieſe zwei Träger der beſſeren Zuſtände ihre Löſung
finden werden.
Die Naturwiſſenſchaft iſt es, welche uns
der Löſung dieſes weltgeſchichtlichen Problems näher führt.
In ihr ſteckt die Geiſteserleuchtung, welche man mit Recht die
Kultur nennt.
In der Verwirklichung dieſes Wiſſens iſt auch
allein die Möglichkeit gegeben, die wahre Civiliſation her-
beizuführen.
Die Beherrſchung der Naturkräfte wird

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