Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 12-16, 1897

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243111 und zwar ſehr langſam gewachſen, und auf einem Boden, der
dem Heimatsboden der natürlichen Kamera-Obſcura, der dem
Heimatsboden des Auges gar nicht ſo fremd iſt, wie man
meinen ſollte.
Dieſe Erfindung iſt mit der Menſchheit gewachſen. Die
Phönizier haben — ſo ſagt man — das Glas erfunden.
Neuer-
dings fand man unter den Trümmern des alten Ninive eine
Glaslinſe, die zu einem optiſchen Gebrauch gedient haben muß.
Die Spuren der weiteren Geſchichte dieſer Erfindung ſind ſchwer
aufzuſpüren;
aber das iſt wahr und unumſtößlich: der Italiener
Porta, der die Kamera-Obſcura wirklich zuſammengeſtellt, hat
nur den Schlußſtein dieſer Erfindung gemacht.
Die Kamera-
Obſcura iſt wirklich auch gewachſen, zugleich gewachſen mit
der Menſchheit, ähnlich wie ein Auge mit dem Menſchen
gleichzeitig im Mutterſchoße wächſt.
Und ſehen wir uns nur einmal den Boden an, wo die
Erfindungen der Menſchen wachſen, ſo merken wir, daß auch
hier das Gehirn die Hauptſtätte iſt, in der ſie wurzeln, freilich
nicht am Stoff des Gehirns, aber doch jedenfalls an der
geiſtigen Thätigkeit derſelben;
freilich nicht an Nervenfäden,
aber doch an den geiſtigen Fäden der Naturbetrachtung, der
Naturbeobachtung und der Naturbenutzung, freilich nicht als
ſichtbare Frucht, aber doch als geiſtige Frucht, welcher die
ſchönſte Blüte, die Blüte der Erkenntnis, vorangeht.
In dieſem Sinne betrachtet, iſt die Kamera-Obſcura,
dieſes ſchwache Nachbild des Auges, wirklich eine Frucht,
ähnlich erwachſen wie das Auge ſelber, erwachſen im geiſtigen
Mutterſchoß der Menſchheit, wo gar Vieles, Vieles wächſt,
was wir Menſchen Erfindungen nennen.

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