Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 17-21, 1897

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Und ſomit wollen wir unſeren wiſſenſchaftlichen Ausflug
beginnen, und um recht einfach zu ſein, mit dem kleinen
Kunſtwerk beginnen, an dem wohl alle unſere Leſer das
Geſetz von der Erhaltung der Kraft, ohne es zu wiſſen, am
häufigſten im Leben bewahrheitet haben.
Wenn wir unſere Taſchenuhr in Gang ſetzen, ſo könnte
es wohl Vielen ſo ſcheinen, als ob ſich in der Uhr eine nicht
vorhandene Kraft entdeckt habe.
Die Uhr war abgelaufen und
totenſtill, da ziehen wir ſie auf, und ſie tickt und geht, und
wir hören’s und ſehen’s ihr an, ſie hat eine Kraft bekommen,
die früher nicht in ihr lag.
— In der That iſt dem ſo. Die
Uhr hatte keine Kraft;
denn die Spiralfeder, die ſie treibt,
mußte erſt durch unſer Aufziehen mittelſt des Schlüſſels ge-
ſpannt werden, und nun geht ſie mit der Spannkraft der auf-
gezogenen Feder und nach Maß und Takt der Einrichtung
des ganzen Werkes.
Aber neu iſt darum die Kraft der Uhr keineswegs; wir
haben ihr vielmehr die Kraft aus einem bereits vorhandenen
Vorrat von Kraft gegeben.
Wir haben beim Aufziehen eine
Kraft unſerer Finger dazu verwendet, und ſo wenig merkbar
uns das Verſchenken von Kraft angreift, ſo iſt es doch nicht
anders:
die Uhr geht durch einen Teil der Kraft unſerer
Finger, die wir verloren haben.
— Wer hieran zweifelt, der
mag ſich’s nur vorſtellen, daß die Taſchenuhr ſo groß und ge-
waltig wie eine Turmuhr wäre, und er beim Aufziehen nicht
einen kleinen Schlüſſel, ſondern eine ganz gehörige Kurbel mit
gründlicher Anſtrengung der Arme zu drehen hätte, dann wird
er wahrhaftig merken, woher die Uhr ihr mechaniſches Leben
hat, und er wird ſagen:
“ja du liebe Uhr, du kannſt jetzt gut
gehen, ich aber muß mich ein wenig ſetzen, denn ich habe dir
zu deinem Gang die Kraft aus meinem Körper gegeben!”
Und dem iſt wirklich ſo. — Mit dem Aufziehen der Uhr
geſchieht etwas höchſt Merkwürdiges, und ſogar Etwas,

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