Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 12-16, 1897

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32961 Rolle ſpielen und die Aufgabe verwirren; und Eines dieſer
vielen Dinge iſt der Ofen.
Wozu dient denn eigentlich der Ofen?
Es weiß ja jedes Kind, daß der Ofen an ſich kalt iſt, und
daß man ihn erſt erwärmt, damit er die Stube wärme, daß
man ihm die Hitze eigentlich nur in Kommiſſion giebt, damit
er ſie uns wieder gebe.
— Wozu aber hat man das nötig?
Weshalb erwärmt man die Zimmer nicht durch einen offenen
Kamin, der ſeine Hitze gleich in die Stube ſendet?
Jeder unſerer Leſer wird es wohl ſchon wiſſen, daß man
in der That in früheren Zeiten keine Öfen und ſtatt deren nur
Kamine hatte, daß es Länder giebt, wo noch jetzt die Öfen, dieſe
echt deutſchen, gemütlichen Winterfreunde, eine Seltenheit ſind,
und wo ſtatt des warmen Sitzes an ihrer Seite der Platz am
Kamin der Ehrenplatz des Hauſes an kühlen Tagen iſt.
Hiernach könnte es freilich ſcheinen, als ob der Ofen wirk-
lich ein überflüſſiger Kommiſſionär und eine unpraktiſche, deutſche
Erfindung wäre;
denn man ſagt es ja alle Tage von uns, daß
wir Deutſchen ein unpraktiſches Volk ſeien.
— Allein man
thäte hiermit dem Deutſchen und noch mehr ſeinem Ofen ſehr
Unrecht.
Das deutſche Volk iſt als Volk unpraktiſch. Im Vergleich
mit anderen Völkern denkt es ſehr viel und handelt ſehr wenig.
Der Deutſche iſt auch im Geſellſchaftsweſen und im öffenlichen
Leben unbeholfener und unpraktiſcher, als viele geiſtig weit
unter ihm ſtehende Nationen;
allein auf den Deutſchen in ſeiner
Häuslichkeit laſſen wir nichts kommen, und namentlich am
Ofen — zuweilen auch hinterm Ofen — iſt er wirklich geſcheit,
ſparſam und wohlüberlegt;
mit einem Worte: hier iſt er prak-
tiſch.
Das iſt wirklich wahr.
Ein Blick auf jene Länder, wo keine Öfen und ſtatt der-
ſelben Kamine im Gebrauch ſind, lehrt, daß es nicht ein wirt-
ſchaftliches Sparſamkeitsſyſtem iſt, welches dieſen Zuſtand

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