Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 6/11, 1897

Table of handwritten notes

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            <s xml:id="echoid-s4242" xml:space="preserve">Sind es aber wirklich uicht die Gegenſtände ſelber, die
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            wir ſehen, ſondern ſind es nur die Boten der Gegenſtände,
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            die Lichtſtrahlen, welche von den Gegenſtänden ausgegangen
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            ſind, und die unſer Auge treffen, ſo iſt der Fall ſehr gut
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            denkbar, daß wir etwas ſehen, was in Wirklichkeit ſchon zu
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            exiſtieren aufgehört hat. </s>
            <s xml:id="echoid-s4243" xml:space="preserve">Wenn wir z. </s>
            <s xml:id="echoid-s4244" xml:space="preserve">B. </s>
            <s xml:id="echoid-s4245" xml:space="preserve">einen Blitz ſehen,
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            der viele Meilen weit von uns in einem Augenblick entſteht
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            und vergeht, ſo geſchieht dies ebenfalls nur durch die Licht-
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            ſtrahlen, welche von dem Ort des Blitzes ausgehen und nach
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            allen Richtungen hin, alſo auch bis zu unſerem Auge dringen.
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            <s xml:id="echoid-s4246" xml:space="preserve">Die Lichtſtrahlen, dieſe Boten des Blitzes, brauchen aber eine
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            gewiſſe Zeit, um mehrere Meilen weit hinzufliegen. </s>
            <s xml:id="echoid-s4247" xml:space="preserve">Wenn ſie
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            bei uns ankommen, kann alſo der Blitz am Orte ſeiner Ent-
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            ſtehung ſchon erloſchen ſein; </s>
            <s xml:id="echoid-s4248" xml:space="preserve">wir ſehen ihn alſo erſt zu einer
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            Zeit, wo er bereits vergangen iſt.</s>
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            <s xml:id="echoid-s4250" xml:space="preserve">In Wahrheit iſt es nicht nur mit dem Blitz, ſondern mit
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            allen Dingen ſo, ſie mögen nahe oder entfernt ſein. </s>
            <s xml:id="echoid-s4251" xml:space="preserve">Wir ſehen
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            nicht die Gegenſtände ſelber, ſondern wir empfinden nur die
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            Lichtſtrahlen, die ſie uns ſenden; </s>
            <s xml:id="echoid-s4252" xml:space="preserve">wir ſehen nicht das, was
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            wirklich im jetzigen Augenblicke da iſt oder geſchieht, ſondern
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            nur das, was da war und geſchah, als die Lichtſtrahlen, welche
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            jetzt unſer Auge treffen, von den Dingen ausgingen.</s>
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            <s xml:id="echoid-s4254" xml:space="preserve">Wir ſehen in dieſem Sinne immer nur die Vergangenheit
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            und niemals die Gegenwart.</s>
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            <s xml:id="echoid-s4256" xml:space="preserve">Macht man ſich mit dieſem Gedanken erſt vollkommen ver-
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            traut, — und das iſt eben gar nicht ſo leicht, wie das die-
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            jenigen meinen, die dies alles ſchon längſt wiſſen, ſo ſtellt ſich
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            freilich die Frage heraus: </s>
            <s xml:id="echoid-s4257" xml:space="preserve">Um wie viel ſpäter ſehen wir denn
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            eigentlich die Dinge, als ſie in Wirklichkeit ſind?</s>
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            <s xml:id="echoid-s4259" xml:space="preserve">Ein Blitz, den wir ſehen, exiſtiert im Augenblick, wo ſein
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            Strahl bis zu uns ins Auge dringt, vielleicht gar nicht mehr.
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            <s xml:id="echoid-s4260" xml:space="preserve">Eine Wolke am Himmel, die fortwährend ihre Geſtalt und ihren
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            Ort verändert, wird von uns immer nur in einer Geſtalt </s>
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