Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 12-16, 1897

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            öffentlichung einen Schatz mehr aus dem Leben und Wirken
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            des geliebteſten der Dichter beſitzt.</s>
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            <s xml:id="echoid-s6924" xml:space="preserve">Mit welchen Schätzen beladen rennen aber heutigen Tags
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            unausgeſetzt alle Briefträger durch unſere Straßen?</s>
            <s xml:id="echoid-s6925" xml:space="preserve">! Von
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            welch’ ſittlichem Vertrauen iſt das allenthalben hindringende
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            Poſt-Inſtitut getragen, daß wir Geiſtesergüſſe, Geſchäfts-
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            geheimniſſe und Herzensangelegenheiten ſo ohne weiteres in
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            Briefen der Poſt anvertrauen! Wie hoch müſſen wir ſie halten,
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            wenn wir der vollen Zuverſicht uns hingeben, daß Menſchen,
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            die wir nie im Leben geſehen haben, unſern Brief, an dem
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            uns außerordentlich viel liegt, ſchon richtig ſortieren, regelrecht
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            verpacken, in den richtigen Poſtbeutel ſtecken, nach dem richtigen
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            Wagen befördern werden, damit er nur eiligſt und pünktlich
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            per Eiſenbahn oder Kourier-Poſt an ſeinem Beſtimmungsort
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            anlange, woſelbſt ihn wieder uns völlig unbekannte Menſchen
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            aus der Verpackung nehmen, ſortieren und einem Briefträger
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            übergeben, der ſich
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            auf den Weg machen wird,
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            um unſern Adreſſaten aufzuſuchen und ihm den Brief ab-
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            zuliefern!</s>
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            <s xml:id="echoid-s6926" xml:space="preserve">Freilich wundern wir uns gar nicht mehr darüber und
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            am allerwenigſten haben wir Luſt, uns Gedanken um Dinge
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            zu machen, für die wir
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            . </s>
            <s xml:id="echoid-s6927" xml:space="preserve">— Wir tragen ja das
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            Porto, und die Poſt macht noch ein gutes Geſchäft dabei;
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            <s xml:id="echoid-s6928" xml:space="preserve">folglich müſſen alle Briefe richtig beſorgt werden, und wir
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            ſind allen Nachdenkens überhoben. </s>
            <s xml:id="echoid-s6929" xml:space="preserve">— Und dennoch — welchen
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            Moraliſten und Philoſophen, Propheten oder Gottesverkünder
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            des Altertums, denen die Verſittlichung des Menſchengeſchlechts
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            als das höchſte Ziel ihres Strebens galt, wir herzaubern
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            möchten in unſere Gegenwart, es würde jeder von ihnen be-
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            kunden, daß die ſittliche Garantie, unter welcher unſer alltäg-
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            licher Briefverkehr ſteht, einen höhern Zuſtand der Kultur be-
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            zeugt, als es jemals ihnen, ſelbſt in ihren idealſten Hoffnun-
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            gen, in den Sinn gekommen iſt!</s>
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