Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 6/11, 1897

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XXIV. Ein ſich klärendes Rätſel.
Das Rätſelhafte in dem Daſein einer Blüte beſteht darin,
daß ebenſo die männliche Blüte wie die weibliche Blüte für
ſich ſelber ganz zwecklos erſcheinen oder — anders ausgedrückt —
weder den Pflanzen-Individuen noch der Pflanzenart (d.
h.
der Erhaltung derſelben) irgendwie nützen, und daß ſie gleich-
wohl einen ganz beſtimmten Zweck haben, der nur dann erreicht
wird, ſobald ein Teil der männlichen Blüte zur weiblichen
gelangt.
Denken wir uns nun den vielfach in der Pflanzenwelt
vorkommenden Fall, daß weibliche und männliche Blüten nicht
auf einem und demſelben Baume, ſondern getrennt auf zwei
oft weit von einander entfernten Bäumen wachſen, ſo ſehen
wir auf jedem dieſer Bäume eine Schöpfung, die allein ihren
ganz beſtimmten Zweck, eine Frucht zu erzeugen, nicht er-
reichen kann und des andern Baumes bedarf, um ihren Zweck
zu erfüllen.
Dies iſt aber etwas, das nur in der lebenden Natur
vorkommt;
in der nichtlebenden Natur finden wir nichts
dergleichen, ja nicht einmal eine Erſcheinung, die nur entfernt
eine Ähnlichkeit damit hat.
Die männlichen Blüten ſind außerordenlich reich an Blüten-
ſtaub, und viele Billionen Körner dieſes Staubes gehen ver-
loren, ohne zu befruchten;
es genügt, wenn nur ein einziges
ſolches Stäubchen auf eine weibliche Blüte gelangt, um daſelbſt
eine Frucht zu erzeugen.
Dieſer Umſtand iſt zwar wunderbar
genug, aber es läßt ſich doch mindeſtens begreifen, und man
braucht für die Wanderung eines ſolchen Blütenſtäubchens
keine geheime beſondere Kraft anzunehmen, ſondern kann ſie
auf Rechnung des Windes, der Inſekten u.
ſ. w. ſchreiben, die
die Stäubchen von Blüte zu Blüte tragen, was auch wirklich
der Fall iſt.
A. Bernſtein, Naturw. Volksbücher X.

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