Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 6/11, 1897
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56985 allgemeinſten Unterſchiede des lebenden Tieres von der Pflanze;
aus dieſen zwei Eigenſchaften aber entwickeln ſich noch höhere
Begabungen, die ſich in ſolchem Maße ſteigern, daß ſie beim
Menſchen, dem vorzüglichſten Tiere auf Erden, alles über-
ragen, was man ſonſt als Vorzüge lebender Weſen kennt.
Empfindung und Bewegung finden ſich zwar in unter-
geordnetem Grade auch bei den Pflanzen.
Die Pflanzen ſind
für das Licht empfindlich;
es übt einen Reiz auf ſie aus,
welcher die Blätter und Zweige dahin richtet, wo das Licht
herkommt.
Die Pflanzen bewegen ſich auch aus inneren Kräften
getrieben, wie dies z.
B. bei den Blüten ſtattfindet, wo ſich
die Staubfäden zur Zeit der Befruchtung oft in höchſt wunder-
barer Weiſe bewegen.
Allein dieſe Empfindlichkeit iſt inſofern
nicht die tieriſche Empfindung, als nur die letztere mit ſeeliſchen
Werten verknüpft iſt.
Mit anderen Worten: Die Empfindung
des Tieres iſt anderer Art als die Reizbarkeit einer Pflanze,
denn ſie iſt beim Tier mit einem Bewußtſein verbunden;
die
Bewegung des Tieres iſt anderer Art als die der Pflanze,
denn ſie iſt vom Willen des Tieres abhängig, die Bewegung
iſt beim Tier eine “willkürliche”.
Wer über das, was wir hier geſagt haben, ein wenig
nachdenkt, der wird von ſelbſt auf den Gedanken geführt, daß
Empfindung und Bewegung eigentlich nur die Kennzeichen
anderer Vorzüge ſind, die das Tier beſitzt.
Wenn die Haupt-
ſache bei der Empfindung das Bewußtwerden derſelben iſt, ſo
hätten wir eigentlich ſagen ſollen, daß die Tiere mit Bewußt-
ſein begabt ſind und die Pflanzen nicht.
Wenn der Wille die
Hauptſache an der tieriſchen Bewegung iſt, ſo hätten wir gewiß
richtiger gethan, wenn wir geſagt hätten, daß der Vorzug des
Tieres vor den Pflanzen im Beſitz eines Willens liege.
Allein
Wille und Bewußtſein ſind Dinge, die jedermann zwar aus
Erfahrung kennt, die aber, offen geſtanden, der Erkenntnis der
Naturwiſſenſchaft noch völlig verſchloſſen ſind.
Es ſind

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