Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 6/11, 1897
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Es kommt im Kriege öfter vor, daß einem Menſchen eine
Kugel durch den Schädel geht und auf dem Gehirn liegen
bleibt.
In ſolchem Zuſtande ſtürzt der Getroffene nieder, und
wenn er zeitig noch ins Lazarett gebracht wird, lebt er mit
der Kugel im Kopfe, aber ohne zu empfinden oder ſich be-
wegen zu kön@.
Er lebt wirklich wie eine Pflanze. Er ver-
langt nicht nach Speiſe und Trank, bringt man ihm etwas in
den hinteren Teil des Mundes, ſo ſchlingt er es hinab;
thut
man dies nicht, ſo ſtirbt er nach Tagen, ganz ſo wie eine
Pflanze abſtirbt, die keine Nahrung erhält.
Er atmet, er ver-
daut, ſcheidet auch Stoffe von ſich aus, was auch die Pflanze thut.
Zieht man aber die Kugel aus dem Kopfe, ſo geſchieht es
zuweilen, daß er ſofort die Augen öffnet, um ſich blickt und
fragt, wo er ſich befinde?
Offenbar hat er in dieſer Unglückszeit eine Art Pflanzen-
leben geführt;
aber dennoch iſt ein bedeutender Unterſchied
zwiſchen dieſem Leben und dem Pflanzenleben, und dieſen
Unterſchied müſſen wir jetzt näher betrachten.
XXXV. Das Pflanzenleben der Tiere.
Haben wir geſehen, daß das tieriſche Leben eine Art
Pflanzenleben in ſich begreift, haben wir durch ein Beiſpiel
dargethan, daß ein Menſch, der durch einen Druck auf das
Gehirn der Empfindung und der Bewegung beraubt iſt, dennoch
lebt, und zwar wie eine Art Pflanze lebt, ſo wollen wir nun-
mehr zeigen, daß einerſeits ſelbſt im geſunden Zuſtand dieſes
Pflanzenleben im Tiere vorhanden iſt, und andererſeits, daß
dennoch ein weſentlicher Unterſchied zwiſchen dieſem Leben und
dem wirklichen Leben der Pflanze beſteht.

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