Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 6/11, 1897

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591107 Tier iſt durch die Nabelſchnur mit dem Mutterleib verwachſen.
Die Nahrung ſtrömt zu ihm ein durch den Nabel. Einem
Hühnchen im Ei geht es ebenſo.
Es iſt zwar nicht mit der
Mutter verwachſen, aber es beſitzt am Ei einen Speiſevorrat,
der ebenfalls durch den Nabel in den Leib des Hühnchens
einſtrömt, und der ausreicht, bis das Tierchen ans Tageslicht
treten kann.
— Man ſieht alſo beim neugebornen Tier eine
Art Pflanzen-Daſein, wenigſtens ſo weit es das Einſtrömen
der Nahrung betrifft.
Man nennt es mit Recht eine Frucht,
denn es lebt an der Nabelſchnur wie eine Frucht an einem
Stengel.
Mit dem Moment jedoch, wo das Tier in die Welt
hinaustritt, hört dies Pflanzenleben auf.
Die Nabelſchnur
wird mit dem erſten Aufatmen des jungen Geſchöpfes un-
wirkſam.
Das Muttertier beißt auch, geſchickter als manche
Hebeamme, und beſſer unterrichtet als Millionen von Menſchen,
die überflüſſig gewordene Nabelſchnur entzwei und überläßt
das junge Tier der Welt als einen Weltbürger;
und dieſes
Tier, es weiß ſofort, daß eine Welt außer ihm da iſt.
Das
Kälbchen geht, ohne zu zweifeln, auf die Mutter zu, um den
Mund, der noch niemals Speiſe empfangen hat, an die Zitzen
derſelben zu legen und Muttermilch zu ſaugen.
Es wartet
nicht ab, wie die Pflanze, daß die Nahrung ihm noch ferner
zufließe, ſondern ſucht ſie in der Umgebung außerhalb.
Es iſt für die Wiſſenſchaft äußerſt ſchwierig, für dieſes
ſofortige Erkennen des Tieres, für die ſofortige richtige Be-
nutzung ſeiner Füße, ſeines Mundes, ſeiner Saugwerkzeuge die
Erklärung zu geben.
Man hat all’ dies mit dem Namen
“Inſtinkt” bezeichnet, und verſteht darunter eine angeborene
Kenntnis und Geſchicklichkeit ſolcher Verrichtungen, die dem
Tiere unumgänglich nötig ſind zum Leben.
Durch dieſe Be-
zeichnung eines unbekannten Dinges mit einem nicht ſehr
klaren Namen iſt aber leider wiſſenſchaftlich ſo gut wie nichts
erklärt.
Es läßt ſich im allgemeinen nur ſagen: Ein

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