Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 17-21, 1897

Table of contents

< >
< >
page |< < (46) of 676 > >|
    <echo version="1.0RC">
      <text xml:lang="de" type="free">
        <div xml:id="echoid-div283" type="section" level="1" n="193">
          <pb o="46" file="628" n="628"/>
        </div>
        <div xml:id="echoid-div285" type="section" level="1" n="194">
          <head xml:id="echoid-head222" xml:space="preserve">
            <emph style="bf">III. Über die Grenze unſerer Erkenntnis.</emph>
          </head>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s7679" xml:space="preserve">Zu allen Zeiten, wo große naturwiſſenſchaftliche Entdeckungen
              <lb/>
            gemacht worden ſind, hat es Enthuſiaſten gegeben, welche ver-
              <lb/>
            meinten, es ſei damit auch das letzte Problem der Wiſſenſchaft,
              <lb/>
            das Geheimnis des Menſchenweſens, des Menſchenlebens und
              <lb/>
            der Menſchenſeele nunmehr enthüllt, und es bedürfe fortan nur
              <lb/>
            der konſequenten Ausführung der neu angeregten Wiſſenſchaft,
              <lb/>
            um ſie für immer abzuſchließen.</s>
            <s xml:id="echoid-s7680" xml:space="preserve"/>
          </p>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s7681" xml:space="preserve">Die Übertreibungen der Enthuſiaſten haben denn auch
              <lb/>
            regelmäßig den Widerſpruch nicht bloß gegen die Übertreibung,
              <lb/>
            ſondern gegen den wirklichen Fortſchritt der Wiſſenſchaft wach-
              <lb/>
            gerufen und einen Kampf entzündet, der ſich durch Menſchen-
              <lb/>
            alter hinzog. </s>
            <s xml:id="echoid-s7682" xml:space="preserve">Erſt wenn dieſer ſich abnutzte und auslebte,
              <lb/>
            pflegte ſich die neue Entdeckung dem Bereich der Forſchungen
              <lb/>
            in beſcheidenerer Grenze anzuſchließen und in der Regel erkannte
              <lb/>
            man dann, daß, wie groß auch der Fortſchritt iſt, er doch nur
              <lb/>
            die Anſchauung über das Weſen der unendlichen Natur erweitert
              <lb/>
            und keineswegs abgeſchloſſen und erſchöpft habe.</s>
            <s xml:id="echoid-s7683" xml:space="preserve"/>
          </p>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s7684" xml:space="preserve">Beiſpiele derart bietet das letzte Jahrhundert mannigfach
              <lb/>
            dar. </s>
            <s xml:id="echoid-s7685" xml:space="preserve">Die Schädel-Lehre von
              <emph style="sp">Gall</emph>
            hat ihrer Zeit einen ſo
              <lb/>
            gewaltigen Enthuſiasmus erzeugt, daß ein Gerichtshof in Öſter-
              <lb/>
            reich ganz ernſtlich an einem des Diebſtahls Angeklagten die
              <lb/>
            Unterſuchung ſeines Schädels für maßgebender erklärte, als die
              <lb/>
            Zeugenausſage. </s>
            <s xml:id="echoid-s7686" xml:space="preserve">Die Lehre
              <emph style="sp">Galls</emph>
            wurde infolge dieſer Über-
              <lb/>
            treibung in Öſterreich als “Gottesläſterung” verboten, weil ſie
              <lb/>
            die Freiheit des Willens und die Pflicht der Beſtrafung des
              <lb/>
            Böſen verleugne.</s>
            <s xml:id="echoid-s7687" xml:space="preserve"/>
          </p>
          <p>
            <s xml:id="echoid-s7688" xml:space="preserve">Als
              <emph style="sp">Galvani</emph>
            die Entdeckung machte, daß eine elektriſche
              <lb/>
            Reizung eines toten Muskels eine Zuckung desſelben zu Wege
              <lb/>
            bringt, ſtand es bei vielen Enthuſiaſten feſt, daß nunmehr das
              <lb/>
            Geheimnis der ſtets geſuchten Lebenskraft enthüllt ſei. </s>
            <s xml:id="echoid-s7689" xml:space="preserve"/>
          </p>
        </div>
      </text>
    </echo>