Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 12-16, 1897

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6759 ſich gern ab, wie man ſich abwendet von der Erſcheinung des
Todes.
Wie man es für eine Liebespflicht hält, das Auge der
Leiche, den Mund, der den letzten Atemzug, den letzten Seufzer
ausgehaucht, mit ſanfter Hand zu ſchließen, ſo deckt auch der
Unglücklichſte der Lebenden das eigene Auge vor den Tiefen,
die der Tod ahnen läßt, und verſchließt ſeinen Mund, um
nicht von dem zu ſprechen, was das ſicherſte und unver-
meidlichſte Geſchick alles Lebens iſt.
Gleichwohl jedoch müſſen wir vom Tode ſprechen!
Von den älteſten Zeiten her hat ſich ein Ausſpruch auf
die Menſchheit vererbt, der noch jetzt als letzte Weisheit des
Lebens gilt, es iſt der Spruch:
“Vom Staube ſtammſt Du,
zum Staube ſollſt Du zurückkehren!” Obwohl jedoch dieſer
Spruch ſich durch Jahrtauſende erhalten hat, ſo iſt er doch das
nicht, was man verſucht hat, naturwiſſenſchaftlich aus ihm zu
machen.
Auch naturwiſſenſchaftlich hat man gemeint, daß der Tod
nur darum erfolge und erfolgen müſſe, weil die Stoffe, die
den Leib des Menſchen bilden, zurückzukehren beſtimmt ſind in
das Reich einer ewig wandernden und wandelnden Natur.
Man ſtelle ſich vor, daß der Menſch während ſeines Lebens
ſeinen Leib geliehen habe von den Stoffen der Erde, und daß
die Erde dieſes Darlehen zurückfordere, und dem Leben ſein
Ziel und Ende ſetze.
In Wahrheit jedoch iſt dieſe Auffaſſung eine falſche
Sollte der Menſch nur deshalb ſterben müſſen, weil der Staub
zum Staube, weil der Stoff nach einer unwiderſtehlichen Ge-
ſetzlichkeit wieder zum lebloſen Stoffe werden muß, ſo müßte
das Leben gerade nicht aufhören, denn jene Schuld, jenes
Darlehen zahlen wir in jedem Augenblick des Lebens ab und
verſagen unſere Abzahlung vom erſten Moment des Daſeins
bis zum letzten der Atemzüge nicht, weil wir eben leben wollen
und müſſen

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