Bernstein, Aaron, Naturwissenschaftliche Volksbücher, Bd. 1/5, 1897
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Die Arbeit macht ihn hungrig; aber da ſein Magen die
feſten Speiſen nicht verdaut, ſo wird ihm das Eſſen wider-
wärtig.
Seine ſchwachen Glieder jedoch fordern Stärkung.
Die Lebensthätigkeit iſt in ihm unterdrückt; er will ſie kräf-
tigen, um etwas arbeiten und verdienen zu können, und er
ſicht kein anderes Mittel hierzu, als wiederum den Brannt-
wein! denn die Erfahrung hat ihn leider belehrt, daß der
Branntwein ihn nicht nur für den Augenblick anregt und ſeine
Lebensthätigkeit erhöht, ſondern daß er auch wirklich eine Art
Erſatz für die Nahrung ſein kann.
Wiſſenſchaftlich iſt man erſt in neuerer Zeit zur Klarheit
darüber gekommen, wie und auf welche Weiſe der Branntwein
wirklich die Arbeitsfähigkeit des Hungernden erhöhen kann,
und es iſt von äußerſter Wichtigkeit, ſich dies klar zu machen.
Die Arbeit befördert die Ausdünſtung und die Atmung.
Die Ausdünſtung aber, der Schweiß iſt wirklich nichts als ein
Teil der genoſſenen Speiſen, der durch die Haut aus dem
Körper austritt und der Atem, den wir aushauchen, beſteht
aus Kohlenſäure, welche ebenfalls von den Speiſen, die wir
gegeſſen haben, gebildet wird.
Ein ruhender Menſch ſchwitzt
und atmet nicht ſo viel, er braucht alſo weniger zu eſſen als
der arbeitende.
Arbeitet aber der Menſch, ohne zu eſſen, ſo
bildet ſich der Schweiß und die Kohlenſäure des Atems aus
den Muskeln und dem Fett ſeines Leibes und er nimmt ſo-
wohl an Kraft wie an Umfang außerordentlich ſtark ab.

Nun aber iſt es eine Eigenſchaft des Branntweins, daß er im
Körper ſehr leicht in Waſſer und Kohlenſäure zerſetzt wird;

das Waſſer tritt im Schweiß, die Kohlenſäure im Ausatmen
aus dem Körper.
Arbeitet alſo ein Menſch, ohne zu eſſen, ſo
wird er ſofort hinfällig, denn Schweiß und Atem zehren am
Fleiſch ſeines Leibes;
trinkt er aber dabei Branntwein, ſo bildet
ſich Schweiß und Atem aus den Beſtandteilen des Brannt-
weins, und das Fleiſch ſeines Leibes bleibt teilweiſe verſchont.

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